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Anfang Juni 2003, es
war ein sehr heißer Tag mit einer Temperatur von 35°C, klopften drei sehr
aufgeregte Jugendliche an meine Haustür. Der Jüngste von Ihnen hielt ein
unscheinbares Etwas in seinen Händen, das mehr tot als lebendig für mich
aussah. Die drei Jungen hielten es für ein Frettchen. Da sie aber wissen,
das ich die Einzigste in unserem kleinen Ort bin, die sich Frettchen als
Haustiere hält, führte sie der Weg sofort zu mir. Das Frettchen sollte
sich als ca. 6-8 Wochen alter Steinmarder entpuppen. Die Geschichte, die
ich dann von Sebastian, Christian und Sven zu hören bekam, erschütterte
mich zutiefst. |
Folgendes war
geschehen:
An der Bushaltestelle warteten Grundschüler der hiesigen Grundschule
auf ihren Bus. Auf der anderen Straßenseite befindet sich ein nicht
mehr bewohntes Grundstück. Darauf steht ein alter Schuppen, worin
sich seit kurzem eine Steinmarderfamilie häuslich niedergelassen
hat. Von den wartenden Kindern wurde beobachtet wie dieser
Steinmarderwelpe vom Dach des Schuppens fiel. Dann irrend durch den
verwilderten Garten herum tapste, um schließlich auf der Mitte der
Dorfstrasse erschöpft liegen zu bleiben. Und das bei
hochsommerlichen Temperaturen, die den Asphalt enorm aufgeheizt
haben. Aber die Kinder kamen dem kleinen Marder nicht zur Hilfe!!!
Sie hatten nichts anderes zu tun, als das hilflose Geschöpf mit
Steinen zu bewerfen und dabei laut herum zu schreien. Erst als die
drei genannten Jugendlichen mit einem anderen Schulbus nach Hause
kamen und beobachteten, was da abging, wurde dem Marderjungen
geholfen. Sie griffen umgehend und beherzt ein. Schimpften wohl auch
anständig mit den Kindern, die mit den Steinen geworfen hatten.
Anschließend brachten sie den völlig geschafften und verstörten
Marder zu mir nach Hause, was ihm wohl das Leben retten sollte.
Natürlich hatte wieder einmal keiner der Erwachsenen, die die Kinder
nach der Schule betreuen, etwas gesehen! Was ich einfach nicht
glauben kann und will. |
Der kleine Marder, übrigens
eine Fähe, wurde vom mir mit frischem Wasser und Futter versorgt.
Vom Wasser wurde nur ein wenig probiert und das Futter blieb völlig unberührt. Sie bekam dann ihre vorläufige Bleibe in unserem neuen Frettchenstall,
wo
sie sichtlich die kühlen Fliesen genoss und sich von der ganzen Aufregung
etwas erholen konnte. Auch ein feuchter Lappen, mit dem ich ihre Stirn
etwas abkühlte, half den Hitzeschock zu überwinden. Nach zwei Stunden war
die Fähe dann wieder soweit hergestellt, das wir uns auf den Weg nach Weißewarte
machen konnten. Dort gibt es einen Wildtierpark, in dem man
einheimische Wildtierarten hautnah erleben kann. Dort fand der
kleine Marder sein neues Zuhause. Etwa zwei Wochen später stattete
ich der Fähe einen Besuch ab. Zu meiner großen Freude entwickelt sie
sich dort prächtig. Fotos von unserer ersten und zweiten Begegnung
findet ihr unterhalb des Textes. Zur Großansicht bitte wie immer auf
das Bild klicken. Danke schön! |
Eine dritte Begegnung
mit Finchen, so tauften wir die kleine Steinmarderfähe, sollte es leider
nicht geben. Als wir sie im Wildtierpark Weißewarte Ende September besuchen
wollten, konnten wir Finchen trotz intensiver Suche nirgendwo entdecken.
Aufgeregt fragten wir eine Mitarbeiterin des Wildparks, was denn mit der
Steinmarderfähe passiert ist. Vor der Antwort hatte ich richtig Angst, denn
ich hatte die Vermutung, das es der Steinmarder nun doch nicht geschafft
hat. Sie war schließlich erst ca. 6 Wochen alt, als wir sie im Wildpark in
Obhut gaben. Etwas geknickt und ohne uns in die Augen schauen zu können,
erfuhren wir nun folgendes: Eine noch etwas unerfahrene junge Mitarbeiterin
des Wildparks hatte die Aufgabe Mitte September den Steinmarder und andere
kleine Raubtiere zu füttern. Die Fähe wurde von den Mitarbeitern des
Wildparks nicht auf den Menschen getrimmt, will sagen, nicht handzahm
gemacht, so blieb die Fähe scheu wie ein normales in der Freiheit lebendes
Tier. Sie spürte wohl, das sie nicht in einen Käfig gehörte und nutzte einen
plötzlichen "Überraschungsangriff" auf die junge Frau aus, um das Weite zu
suchen. Die junge Frau erzählte später, das der Marder sie böse angefaucht
hätte und plötzlich zubiss, worauf sie erschrocken zurück gewichen wäre und
dadurch die Tür hinter sich frei gab. Da sie nicht mit einem Ausbruchversuch
gerechnet hätte, habe sie die Tür des Geheges offen stehen lassen. Die
Mitarbeiter des Wildparks halten zwar jeden Tag Ausschau nach Finchen, sie
wurde aber nicht mehr gesichtet. |
Wenn sich wirklich
alles so abgespielt hat, bin ich eigentlich froh, das der kleine
Marder einen Weg in die Freiheit fand, denn dort gehört sie ja
schließlich auch hin. Ein Wildtier gehört schließlich nicht hinter
Gitter, auch wenn ihnen ein großzügiger Käfig oder ein Gehege zur
Verfügung gestellt wird. |
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